Im Dialog
Ingrid Brütsch, Malerei auf Papier
SuMin, Keramik Skulptur
In Gedenken an meinen Lebensgefährten Michael – Ruhe in Frieden!
Zehnthaus Jockgrim
Dialog Ost /West
9.02-9.März 2020
Städtische Galerie im
Königin- Christinen-Haus in Zeven
1. Sept. - 24.Nov.2019, 15:00 Uhr
2012 - Contemporary, Istanbul
Einladung Korea und Germany Keramik-Workshop
4 Wochen 2000 Pusan, Südkorea
Rede von Dr. Arthur Mehlstäubler
Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,
vor etwa 120 Jahren war die Welt noch einfach. Es gab Kunst und es gab Kunsthandwerk. Es gab den Maler und es gab den Töpfer. Der Kunst gebührte die Krone, dem Kunsthandwerk aber nur ein Orden aus Blech. Heute verhält es sich anders. Die Einsicht folgte: Beide bedingen sich gegenseitig.
Dies zeigt diese Ausstellung deutlich. Den Gemälden und Zeichnungen Holger Fitterers stehen die keramischen Plastiken Lee Kab-Joos mit gleichem künstlerischem Anspruch gegenüber. Lee Kab-Joos Künstlername „Su Min“ bedeutet Wasser und Licht. Während viele hiesige Keramiker Inspiration durch Reisen nach Asien suchen, war es bei der gebürtigen Südkoreanerin gerade umgekehrt: Als 22-Jährige nach Deutschland übergesiedelt kam sie erst hier mit Ton in enge Berührung. An der Hochschule der Künste in Berlin, wo sie Industrie-Design studierte, fand sie Zugang zu diesem vielseitigen Material. Es sei „der … reichste unter allen Werkstoffen“, wie Max Laeuger, der Vater der modernen Keramik in Deutschland, befand. Denn Ton lässt sich mit der Hand formen, aufbauen und gießen, er lässt sich schneiden, rollen und ritzen. Aus ihm können Gefäße, Plastiken, Reliefs und mit Hilfe farbiger Glasuren auch Gemälde entstehen. Keramik bietet nahezu grenzenlose Ausdrucksmöglichkeiten für die künstlerische Gestaltungsphantasie. Und es ist das natürlichste und nachhaltigste aller Materialien: Erde, Feuer, Wasser und Luft fügen sich zu Gebilden von nahezu unbegrenzter Lebensdauer. So bestehen die wesentlichen Hinterlassenschaften untergegangener Kulturen sehr häufig aus Keramik.
Ihren künstlerischen Weg setzte SuMin Lee Kab-Joo dann an der Hochschule der Künste in Bremen fort. Bildhauerei, von Professor Altenstein, und Keramik, von Professor Vehring vermittelt, bildeten von da ab in ihrem Werk eine bis heute andauernde, fruchtbare Symbiose. In ihrem frühen Werk suchten stelenartige, runde oder kantige Gebilde auf Wiesen und von hohen Bäumen umstanden die Verbindung von Erde und Himmel. Koreanische Schriftzeichen mit konfuzianischen Texten auf kopfartigen Plastiken kündeten von ostasiatischer Philosophie. Dann erhielten Brunnen blütenartige, aus Platten montierte Kelche, darin eine bekrönende Kugel als Symbol für Vollkommenheit und Harmonie. Kubische Skulpturen aus voneinander versetzt angebrachten Kompartimenten visualisieren künstlerisch die Stellung des Individuums zum Ganzen – Analyse und Synthese im spannungsvollen und zugleich symbiotischen, friedlichen Miteinander.
Mit dem Umzug 2009 aus dem Bremer Umland nach Hügelsheim bei Baden-Baden veränderte sich auch ihr Werk. Hier entstehen in den Atelierräumen der Wohnung und des Gartens in den letzten Jahren fragile Skulpturen ausschließlich in reiner Handarbeit: kugelige, transparente Gebilde wie die hier ausgestellten Exemplare. Sie heben die in der europäischen Kunst so typische, klare Trennung von Innen- und Außenraum auf, vielmehr strömen Licht und Luft hindurch, werden zu wesentlichen Komponenten ihrer sinnlichen und geistigen Wirkkraft. In mühevoller Montagetechnik gebaut werden sie in einem Teil glasiert oder engobiert und gebrannt. Mitunter kommt auch die japanische Rakutechnik mit ihren zufälligen Glasursprüngen zur Anwendung. Assoziationen mit toten Gebilden, mit pflanzlichen oder tierischen Skeletten – wie häufig geschehen – treffen bei diesen Skulpturen nur ungenügend zu; denn das Aufbrechen der Form und die rote und gelbe Farbigkeit an der …...........
oberen Öffnung einiger dieser blütenkapselartigen Gebilde sind eher Zeichen von Leben, Fruchtbarkeit und Wachstum. So tragen manche der Exemplare den Titel „Seerose“, „Rose“ oder „Lotus“, die kaktusartige, hohe Stele gar „Frühling“.
SuMin pflegt auch das Fach der Malerei. Mit dem Pinsel und schwarzer Tusche flüchtig aufgetragen entstehen in der Tradition japanischer, chinesischer und koreanischer Vorläufer auf weißem, koreanischem Reispapier baumartige Gebilde und abstrakte Motive. Der Kreis etwa, ein Symbol aus der japanischen Kalligraphie, steht im Zen-Buddhismus für Leere, diese wiederum dort als Voraussetzung für das konzentrierte, intuitive Sich-Einlassen-Können auf Situationen. Formal und inhaltlich ergänzt werden die Zeichnungen durch koreanische und chinesische Schriftzeichen, die Texte etwa von Lao-Tse und Konfuzius wiedergeben.
SuMin Lee Kab-Joo ist eine Mittlerin zwischen Orient und Okzident, zwischen Osten und Westen. Als in Korea Geborene und Aufgewachsene steht sie dem Materialismus des Westens und seinem Ehrgeiz, durch Wissen und Wissenschaft die Welt verstehen, beherrschen und ausbeuten zu können, kritisch gegenüber. Diesem Versuch des Eindeutigseins und des Erklärenwollens setzt sie ihre transparenten, phantasievollen und letztlich einer klaren Definition sich entziehenden, ganzheitlich geformten und intuitiv erfühlten Keramikskulpturen entgegen, ihr, wie sie es selbst nennt, „Inneres Universum“, eben mit Kunst – im östlichen wie im westlichen Sinne!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit